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Geschichte und Entwicklung der Gemeinde

Ein kleines Industriedorf im Schwarzwald wird 650 Jahre alt.

Die Ursprünge

Mit derzeit rund 1250 Einwohnern ist Gütenbach zwar die kleinste Gemeinde im Schwarzwald-Baar-Kreis, hat aber dennoch Eigenständigkeit entwickelt und bewahrt. Der Ort gehörte 400 Jahre lang zur Herrschaft Triberg, Grundherr war jedoch das adelige Frauenkloster Waldkirch. Eine Besiedlung dürfte bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfolgt sein.

Mindestens 100 Jahre lang gehörte Gütenbach zur Pfarrei Simonswald. Erst im 14. Jahrhundert wurde auf dem heutigen Kirchbühl eine Filialkirche errichtet. Grundlage für das Dorfjubiläum im Jahr 2010 ist die Erwähnung des Ortes um 1360 in einem bischöflichen Abgabenregister. Damals jedoch ist Gütenbach noch eine kirchliche Filiale von Simonswald, erst 1518 wurde daraus nach einem Kirchenneubau eine volle Pfarrei. Vor 1400 dürften etwa über 30 Höfe zum Ort gehört haben. Der 30jährige Krieg setzte Gütenbach in Gestalt durchziehender Truppen und durch Plünderungen schwer zu. In diese Zeit fällt auch der erste Hexenprozess.

Anfang des 17. Jahrhunderts begann das Zeitalter der Uhrmacherei und damit eine Abkehr von der Landwirtschaft hin zur Industrie. Begonnen wurde mit dem Bau von Holzräderuhren. Bald konzentrierte man sich jedoch auf die Erfindung und den Bau von Uhrmacherwerkzeugen. Gleichzeitig gab es erste Uhrenhändler, die das Rheintal hinabreisten. Auch auf dem Gebiet des Spieluhrenbaus waren Gütenbacher früh führend. Eine der bedeutendsten Musikuhrenbauer des Schwarzwaldes war Mathias Siedle (1770 bis 1846). Kaufmannssohn Wilhelm Fackler (1757 – 1834) schließlich erstellte um 1780 eine Gießhütte mit feuerfestem Gewölbe und war so Wegbereiter einer nicht mehr nur handwerklichen sondern zunehmend industriellen Uhrenproduktion. Hierzu trug auch eine verbesserte Verkehrsanbindung durch die neue Straße nach Simonswald bei, mit deren Bau 1847 begonnen wurde, einschließlich Tunneldurchbruch durch die Felsen am Ortsausgang. Diese Straße ersetzte die alte und steile Zufahrt über das Kilpental. In diese Zeit fällt die Gründung der eher liberalen altkatholischen Gemeinde, die sich aus dem um 1862 entstandenen „Leseverein’’ bildete.

Beginn des Industriezeitalters

Ende des 19. Jahrhunderts brach ein neues Zeitalter der industriellen Uhrenproduktion an. Leo Faller errichtete 1884/85 einen ersten großen Fabrikbau. Sein Sohn Friedrich Faller war weit gereist und begann „Amerikaner Uhren“ zu bauen. Der Erfolg war so groß, dass er 1887 und 1894 zwei neue Fabriken (die späteren Firmen Schatz und King) bauen ließ. Trotzdem verkaufte er beide Fabriken in den Folgejahren an die „Badische Uhrenfabrik“ (Baduf) aus Furtwangen.

Der erste Weltkrieg versetzte der exportorientierten Uhrenproduktion einen erheblichen Dämpfer, der auch in den Jahren danach spürbar blieb. Weltwirtschaftskrise und Inflation überschatteten die späten 1920er Jahre auch in Gütenbach. Auch die Fabriken der Baduf, die 1924 wieder in die Gänge gekommen war, gerieten 1930 in den Strudel der Wirtschaftskrise. Schon ein Jahr später, 1931, war die Firma nicht mehr zu retten. 1934 gab es einen neuen Anlauf mit der „Gütenbacher Uhrenfabrik C. H. Schatz“, bei der zunächst 37 Arbeitsplätze geschaffen wurden und der Uhrenfabrik Adolf Hanhart, wo Kleinuhren produziert und Stoppuhren montiert wurden.

Mittlerweile hatten die Nationalsozialisten das Sagen und auf der politischen Bühne war die Zäsur daran erkennbar, dass Karl Hektor Faller (1878 – 1947), der seit 1920 Bürgermeister gewesen war, 1933 abgesetzt wurde, da er nicht der NSDAP hatte beitreten wollen. Sein Nachfolger wurde ein Stützpunktleiter der NSDAP, der jedoch wegen Unregelmäßigkeiten ebenfalls bereits 1937 wieder abgesetzt wurde. Dem früheren Gemeindediener und Mesner Joseph Weißer wurden kurioserweise die Geschicke der Gemeinde von 1938 bis 1945 anvertraut, obwohl dieser eigentlich ein „Schwarzer“ war.

Neustart nach 1945

Die Beschlagnahmung von Produktionsmaschinen sowie Sonderabgaben machte in den Nachkriegsjahren den Industriebetrieben schwer zu schaffen. Neues tat sich allerdings nach der Rückkehr der Brüder Edwin und Hermann Faller im Jahr 1946, die eine Spielwarenproduktion am Ort aufbauten. Mit Holzkämmen und -baukästen hatten sie begonnen. Ende der 50er Jahren wurden Fabrikhochhäuser erstellt, die noch heute das Ortsbild prägen. Nicht nur die rund 500 Arbeitskräfte bei Faller-Modellbau, sondern auch die Gemeinde profitierte von dem Aufschwung, so konnten Kanalisation und Kläranlage und 1961 ein neues Rathaus gebaut werden.

Selbst die alte Kirche wurde durch einen Neubau ersetzt, der 1965 geweiht wurde. Ein Jahr später wurde die Grund- und Hauptschule fertig gestellt, der sogar eine Turnhalle und etwas später ein Hallenbad angegliedert war. Entsprechend rasant entwickelten sich die Einwohnerzahlen. Zählte die Gemeinde im Jahr 1871 als auch 1910 rund 1 300 Einwohner wurden 1961 bereits 1500 Einwohner gezählt. Der Höchststand wurde 1970 mit 1754 erreicht. Schon in den 80er Jahren war man wieder bei 1500, und gegen Ende 2009 bei rund 1220 Einwohnern.

In dem neuerlichen Rückgang spiegelt sich auch der Verfall einiger Gütenbacher Unternehmen. 1986 hatte die Uhrenfabrik Schatz ihren Betrieb am Ort einstellen müssen, 1997 schloss die Firma King. Ähnlich erging es zunächst der Uhrenmanufaktur Hanhart, die inzwischen jedoch eine solide Basis hat und so heute noch erfolgreich am Markt ist. Auch die Spielwarenfirma Faller musste massive Einbrüche hinnehmen und 2009 ein Insolvenzplanverfahren durchführen. Dieses konnte 2010 mit einer guten Nachricht abgeschlossen werden: Das Traditionsunternehmen schafft einen Neustart mit guten wirtschaftlichen Aussichten, wenn auch nur noch mit etwa 80 Arbeitsplätzen.

Gütenbach zur Jahrtausendwende

Unter Bürgermeister Richard Krieg (er war 1982 bis 1993 im Amt) sowie seinem Nachfolger Thomas Klüdtke (1994 bis 2010) wurde das Gewerbegebiet „Ob der Eck“ verwirklicht, wo sich eine Reihe von Handwerksbetrieben und mittelständischer Unternehmen ansiedelten.

Unter ihnen ist auch die Fa. RENA, die sich mittlerweile zum größten Arbeitgeber am Ort entwickelt hat. Das eigentümergeführte Hightechunternehmen entwickelt und produziert Maschinen für nasschemische Prozesse insbesondere für die Solarindustrie sowie für die Mikrosystem- und Medizintechnik. Im März 2010 zählte sie fast fünfhundert Mitarbeiter, allein am Stammsitz in Gütenbach. Im Jubiläumsjahr 2010 erhielt die RENA die Auszeichnung als Innovator des Jahres.

Einen Sonderweg beschritt die Gemeinde schon früh hinsichtlich regenerativer Energieerzeugung und hier vor allem der Windkraft. Lange vor der Jahrtausendwende hatte sich der Gemeinderat einhellig für die Förderung dieser Energiegewinnung ausgesprochen. Inzwischen wurden fünf Windkraftanlagen geschaffen, ferner Photovoltaikanlagen und mehrere Wasserkraft- und Blockheizkraftwerke. Aus diesen Anlagen kann die Gemeinde rechnerisch schon mehr als ihren gesamten Strombedarf decken.

Gütenbach verfügt über ein reges Vereinsleben. Größter Verein ist der Fußballclub FC 04. Ein weiterer wichtiger Verein ist der Heimat- und Geschichtsverein, der 1984 gegründet wurde. Ein großes Projekt verwirklichte der Verein 1988: In den Räumen des alten Schulhauses wurde das Heimatmuseum eröffnet.

Im Jahre 1961 wurde der Ski-Club Gütenbach gegründet, auch heute noch einer der größten Vereine in der Gemeinde. Die Aktivitäten gehen dabei über den betreuten und leistungsorientierten Skisport hinaus, zu dem auch Biathlon gehört. Ein mit 420 Mitgliedern großer Verein ist auch die Narrengesellschaft, die 1957 gegründet wurde. Ein kleinerer aber sehr rühriger Verein ist der Schwarzwaldverein, der seit dem Jahr 1998 die malerisch oberhalb des Simonswälder Tals gelegene Wandergaststätte „Hintereck“ betreibt. Besinnlicher geht es beim „Balzer Herrgott“ zu, einem in eine gewaltige Buche eingewachsenen Christuskorpus, von dem lediglich noch Kopf und Hals zu sehen sind.

Perspektiven

Aus den „goldenen“ 60er Jahren stammen die meisten Gebäude auch der Gemeinde. Entsprechend groß ist der Sanierungsbedarf, der bei anhaltend guter Finanzlage aber auch bewältigt werden kann.

Die weiteren Herausforderungen für die Gemeinde ergeben sich aus dem im ganzen Schwarzwald relevanten demografischen Wandel: immer weniger Einwohner, immer höhere Anteile älterer Menschen. Hier muss die Gemeinde passende und attraktive Konzepte entwickeln, dann hat Gütenbach auch eine Zukunftsperspektive. Denn wandlungs- und anpassungsfähig waren die Gütenbacherinnen und Gütenbacher schon immer, was die Geschichte des Ortes genauso beweist, wie die aktuelle wirtschaftliche und kulturelle Präsenz. Dies alles hat Gütenbach zu dem gemacht, was es ist: liebenswert, lebenswert und mit einem ganz eigenen Charakter. So nachzulesen schon im „Badischen Lexikon“ von J. B. Kolb in dem es über die Gütenbacher heißt, sie seien „gutmütig, sehr human, umgänglich, gesprächig und empfänglich für alles, was dem Wohl der Gemeinde diene“.

Weitere Informationen

Links zur Gemeinde

Dorf- und Uhrenmuseum
Weiter zur Homepage

Geschichte der Gütenbacher Uhrmacherei. Dokumentation in Wort und Bild vom 18. bis ins 20. Jahrhundert.